Keine Kürzungen im Präventionsbereich!
Anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Sexarbeitenden am 17. Dezember
Zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Sexarbeiter*innen warnt die Allianz Pro Sexwork mit deutlicher Schärfe vor einer politischen Entwicklung in der Frauen-, Queer- und Sozialpolitik, die die Sicherheit, Gesundheit und Selbstbestimmung von Sexarbeiter*innen massiv bedroht.
Obwohl Österreich weiterhin restriktive und stigmatisierende Maßnahmen im Bereich Sexarbeit beibehält, sind Kürzungen bei niedrigschwelligen, kostenlosen und anonymen Beratungsstellen geplant. Eben jenen, die seit Jahren als besonders unterstützend und schützend gelten. Diese Entscheidung ist nicht nur politisch widersprüchlich, sondern gefährdet bewährte Präventionsstrukturen. Sie führt dazu, dass Fachwissen und über Jahre aufgebaute Vertrauensbeziehungen verloren gehen, widerspricht evidenzbasierten Methoden der Gesundheitsförderung und trifft die Berufsgruppe der Sexarbeitenden besonders hart – eine Gruppe, die ohnehin bereits stark von Gewalt, Diskriminierung und gesellschaftlicher Ausgrenzung betroffen ist.
Sexarbeiter*innen gehören zu einer der am stärksten stigmatisierten und marginalisierten Personengruppen in Österreich. Obwohl ihre Tätigkeit legal ist, werden sie von den Behörden, der Politik und der Öffentlichkeit mehrheitlich nicht als selbstbestimmte Erwerbstätige wahrgenommen, sondern als Menschen, die „kontrolliert“ werden müssen. Dieses gesellschaftliche Misstrauen und die fortbestehende Stigmatisierung dieser Tätigkeit führen dazu, dass viele Menschen in diesem Arbeitssektor kein Vertrauen in Institutionen haben, da sie ständig ungleich behandelt werden und ihnen Vorurteile und Diskriminierung entgegengebracht werden. Dies erschwert oder verhindert, dass sie ihre Rechte auf Gesundheitsversorgung und Sicherheit geltend machen und macht die Arbeitsbedingungen der Sexarbeitenden systematisch schwieriger und riskanter.
Gerade deshalb sind niedrigschwellige und anonyme Beratungsstellen essenziell. Für viele sind sie einer der wenigen Orte ohne Kontrolle, Verurteilung oder moralische Bewertung. Dort erhalten sie freiwillig, vertraulich und ohne bürokratische Hürden Beratung zu Gesundheit, rechtlichen Fragen, Gewaltprävention und psychosozialen Belastungen. Diese Stellen arbeiten oft mobil, mehrsprachig, kultursensibel und mit großer fachlicher Erfahrung – und leisten tägliche Präventionsarbeit, die staatliche Kontrollmaßnahmen bei weitem übertrifft.
Die Kürzung dieser bewährten Strukturen bei gleichzeitigem Festhalten an verpflichtenden Kontrolluntersuchungen ist politisch inkonsequent und fachlich nicht haltbar. Österreich ist das einzige europäische Land, das Sexarbeiter*innen weiterhin zu regelmäßigen, medizinisch unbegründeten Untersuchungen zwingt, die international als entwürdigend und ineffektiv gelten. Sie verstärken Stigma, weil angenommen wird, dass Sexarbeiter*innen mehr Geschlechtskrankheiten haben als der Rest der sexuell aktiven Bevölkerung und damit Hauptüberträger*innen seien. Gleichzeitig wird ihnen die Fähigkeit sich um ihre eigene Gesundheit zu kümmern, abgesprochen. Die Zwangsuntersuchungen greifen tief in die körperliche Selbstbestimmung ein und führen dazu, dass Betroffene freiwillige medizinische Versorgung meiden. Besonders diskriminierend ist das Berufsverbot für Sexarbeitende mit HIV – selbst wenn ihre Viruslast so niedrig ist, dass kein Ansteckungsrisiko besteht. Diese Regelung widerspricht wissenschaftlichen Fakten, verletzt grundlegende Menschenrechte und stigmatisiert Betroffene zusätzlich.
Die Studie „Was brauchen Sexarbeiterinnen?“ der Deutschen Aidshilfe zeigt klar, dass freiwillige, anonyme und niedrigschwellige Angebote den besten Schutz vor gesundheitlichen Risiken und Gewalt bieten. Mit der Schwächung dieser Angebote ignoriert die Politik die tatsächlichen Bedürfnisse der Betroffenen und widerspricht wissenschaftlichen Erkenntnissen. Trotz ihrer Expertise werden Sexarbeitende politisch kaum miteinbezogen; ihre Forderungen bleiben meist ungehört. Eine wirksame Politik zum Schutz vor Gewalt und gesundheitlichen Risiken muss sie einbeziehen – alles andere ist paternalistisch und verfehlt sein Ziel.
Die Allianz Pro Sexwork fordert daher mit Nachdruck eine sofortige Kurskorrektur. Sexarbeitende brauchen keine moralischen Debatten und keine staatliche Bevormundung – es braucht Strukturen die Sexarbeiter*innen darin bestärken selbstbestimmt zu handeln, ihre Rechte durchzusetzen und ihre Lebensbedingungen zu gestalten. Beratungsstellen für Menschen in der Sexarbeit sind kein ‚Zusatzservice‘, den man politisch streichen kann. Sie sind essenziell für den Schutz von Gesundheit und die Prävention von Gewalt.
Forderungen der Allianz Pro Sexwork
- Erhalt, Absicherung und Ausbau von niederschwelligen, anonymen und kostenfreien Beratungsstellen für Sexarbeiter*innen in ganz Österreich.
- Sofortige Abschaffung der verpflichtenden Kontrolluntersuchungen, die medizinisch unbegründet, stigmatisierend und menschenrechtswidrig sind.
- Verbindliche und kontinuierliche Einbindung von Sexarbeiter*innen und ihren Interessenvertretungen in alle politischen Entscheidungsprozesse, die ihre Arbeit und Lebensrealitäten betreffen.
- Förderung freiwilliger, anonymer und evidenzbasierter Gesundheitsangebote, wie mobile Testangebote, Peer-to-Peer-Projekte und mehrsprachige und antidiskriminierende Beratung.
- Konsequente Bekämpfung von Stigmatisierung und Diskriminierung in Behörden, Politik und Öffentlichkeit, sowie Schulungen für Institutionen, die mit Sexarbeiter*innen arbeiten.