Presseaussendung Tag gegen Gewalt an Sexarbeiter*innen
PRESSEAUSSENDUNG 17.12.2024
Stopp der strukturellen Gewalt an Sexarbeiter*innen
Internationaler Tag gegen Gewalt an Sexarbeiter*innen
Anlässlich des internationalen Tages gegen Gewalt an Sexarbeiter*innen am 17. Dezember macht die Allianz Pro Sexwork auf die vielfältigen Formen von Gewalt und Diskriminierung aufmerksam, die Sexarbeiter*innen tagtäglich widerfährt.
Diese Gewalt umfasst physische, psychische und sexualisierte Übergriffe in Zusammenhang mit Sexarbeitsfeindlichkeit, sowie institutionelle und strukturelle Formen der Diskriminierung. Sie ist tief in rassistischen, frauenfeindlichen und transfeindlichen Strukturen verwurzelt, die durch gesellschaftliche Moralvorstellungen, restriktive Gesetze und diskriminierende Praktiken von Behörden und Institutionen zusätzlich verstärkt werden.
Die Allianz Pro Sexwork positioniert sich klar gegen ebendiese Strukturen, die gewaltvoll auf den nach wie vor stark ethnisierten und feminisierten Bereich der Sexarbeit einwirken und insbesondere migrantische und rassifizierte Sexarbeiter*innen stärker gefährden.
Die systematische Diskriminierung von Sexarbeiter*innen durch institutionelle, rechtliche und soziale Strukturen verdeutlicht die strukturelle Gewalt, denen sie ausgesetzt sind:
- Rassistische, frauen- und transfeindliche Stereotype beeinflussen die gesellschaftliche Wahrnehmung von Sexarbeit und führen dazu, dass Sexarbeiter*innen oft diskriminiert werden. Sie werden häufig entweder als Verdächtige oder als Opfer dargestellt, während ihre Autonomie, Handlungsfähigkeit und Selbstbestimmung systematisch in Frage gestellt werden.
Obwohl Sexarbeit in Österreich als legale Erwerbstätigkeit geregelt ist, behindern eine restriktive Migrationspolitik und polizeiliche Kontrollen die gesellschaftliche Teilhabe von Sexarbeiter*innen und verstärken ihre Stigmatisierung. Diese Bedingungen schaffen ein Umfeld, das Gewalt gegen Sexarbeiter*innen fördert und legitimiert.
- Sexarbeiter*innen mit Migrationsbiografie sind häufiger von Kriminalisierung, Stigmatisierung, Diskriminierung und rassistischen Zuschreibungen durch Behörden, Institutionen und die Gesellschaft betroffen. Diese Dynamiken führen dazu, dass viele Sexarbeiter*innen kein Vertrauen in Institutionen haben und sich sozial isoliert fühlen.
- Die verpflichtenden Kontrolluntersuchungen für Sexarbeiter*innen sind ein Nährboden für Diskriminierung und Stigmatisierung, stellen einen massiven Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung und Intimsphäre von Sexarbeiter*innen dar und dienen der Kontrolle ihrer Körper.
Eine positive Testung auf HIV bedeutet für Sexarbeiter*innen ein lebenslanges Berufsverbot, auch wenn die Viruslast unter der Nachweisgrenze liegt und somit nicht übertragen werden kann. Dies stellt eine immense Diskriminierung HIV-positiver Sexarbeiter*innen dar.
Wir fordern:
- Strikte Unterscheidung zwischen Menschenhandel und Sexarbeit
- Entkriminalisierung der Sexarbeit und allumfassende Partizipation von Sexarbeiter*innen bei Entscheidungsprozessen
- Abschaffung der verpflichtenden, diskriminierenden Kontrolluntersuchungen
- Schaffung, freiwilliger, umfassender und kostenloser Gesundheitsangebote für alle
- Beendigung rassistischer Migrationspolitik
- Abbau rassistischer und transfeindlicher Strukturen in Institutionen
- Beendigung diskriminierender Gesetze und exzessiver Kontrollen
- Aufhebung des lebenslangen Berufsverbots für HIV-positive Sexarbeiter*innen
PRO SEXWORK - Die ALLIANZ FÜR SEXARBEITER*INNENRECHTE
besteht aus den Organisationen: IBUS, LEFÖ, MAIZ, PIA Salzburg, SXA Info, Red Edition, sexworker.at
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maiz Sex & Work - wofür wir kämpfen, was wir machen...
Ein zentraler Arbeitsbereich von maiz ist die Zusammenarbeit mit Migrant*innen, die in der Sexarbeit tätig sind.
In Oberösterreich sind in etwa 90% der Sexarbeiter*innen Migrant*innen. Sie sind immer wieder einer mehrfachen Diskriminierung ausgesetzt: aufgrund ihrer Herkunft, ihres Geschlechts und ihrer Tätigkeit.
maiz setzt sich für die Anerkennung von Sexarbeit als Erwerbsarbeit ein und kämpft somit gegen die Stigmatisierung, Diskriminierung und Kriminalisierung von Personen, die sexuelle Dienstleistungen anbieten. Gleichzeitig ist das antirassistische und queer-feministische Engagement ein wesentliches Kennzeichen unserer Arbeit. Die Aktivitäten von maiz im Bereich der Sexarbeit werden stets von den Bedürfnissen der Sexarbeiter*innen geleitet und sollen die Professionalisierung und Selbstermächtigung von Migrant*innen in der Sexarbeit unterstützen.
Was wir mit und für Migrant*innen erreichen wollen
• Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Sexarbeiter*innen
• Herstellung von Chancengleichheit durch antirassistische und antisexistische Arbeit
• Enttabuisierung der Sexarbeit und Entkriminalisierung von Sexarbeiter*innen
• Entstigmatisierung und Entdiskriminierung durch den Abbau von Vorurteilen und die Anerkennung von Sexarbeit als Erwerbsarbeit
• Professionalisierung und Selbstermächtigung von Migrant*innen in der Sexarbeit
• Förderung des sozialen Netzwerks unter den Sexarbeiter*innen
Angebote für Migrant*innen in der Sexarbeit
Unser Angebot richtet sich an Migrant*innen, die in der Sexarbeit tätig sind, egal ob registriert oder nicht und unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus und Herkunftsland. Neben anonymer und vertraulicher Beratung und der Weitergabe verschiedener Informations- und Arbeitsmaterialien stellen auch die Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit einen unserer Arbeitsschwerpunkte dar. Ein weiteres Anliegen ist uns auch die Bildung eines breiten Netzwerks unter Sexarbeiter*innen zu unterstützen. So sollen Räume geschaffen werden, in denen sich Sexarbeiter*innen treffen und ihre Lebens- und Arbeitssituation reflektieren können, damit kollektive Ermächtigung und Organisierung möglich werden. Unsere Angebote, Projekte und Veranstaltungen erarbeiten wir gemeinsam mit den Sexarbeiter*innen, da wir deren Bedürfnisse ernstnehmen möchten.
Vernetzung
Wir sind sowohl auf regionaler als auch auf internationaler Ebene bemüht in Austausch und Kommunikation mit anderen Organisationen und Aktivist*innen zu treten. Aufgrund unserer vielfältigen Arbeit erweitert sich das Spektrum an Vernetzungen kontinuierlich. Im Rahmen von Kooperationsprojekten bringen wir an zahlreichen Orten theoretische Inhalte sowie praktisches Wissen ein. Sehr wichtig sind uns auch neue Zusammenschlüsse im Bereich der antirassistischen politischen Arbeit.
Österreichweite Vernetzung:
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Vernetzung mit anderen Beratungsstellen und Sexarbeiter*innen-Selbstorganisationen um gemeinsam Schritte gegen die Diskriminierung von Sexarbeiter*innen zu setzen
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Teilnahme an den Sitzungen der Arbeitsgruppe Prostitution im Rahmen der Task Force Menschenhandel. Die AG Prostitution wurde 2009 eingerichtet und steht unter Leitung des Frauenressorts (Bundesministerium für Frauen und Gesundheit). Sie umfasst derzeit dreißig Expert*innen, die zweimal jährlich zu einer zweitägigen Tagung zusammentreffen.
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das Netzwerk PRO SEXWORK Allianz für die Sexarbeiter*innenrechte in Österreich ist eine seit über zehn Jahren bestehende Gruppe von Beratungsstellen für und Selbstorganisationen von Sexarbeiter*innen in Österreich: Plattform „Sexworker.at, Red Edition, IBUS, Innsbruck SXA-Info, Graz PiA, Salzburg, maiz, Linz, LEFÖ, Wien.
Eines unserer Ziele innerhalb des Netzwerks ist der Versuch, die Gesetzgeber zu beeinflussen um eine Ausweitung der Rechte der Sexarbeitenden zu fördern.
Internationale Vernetzung:
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Teilnahme an Kongressen (z.B. Sexarbeitskongress in Deutschland) und Fachtagungen
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Mitglied im Global Network of Sex Work Projects (NSWP), einem weltweiten Netzwerk mit dem Ziel, die Rechte von Sexarbeiter*innen durchzusetzen, ihre Selbstbestimmtheit zu fördern und Gewalt und Diskriminierung zu bekämpfen.
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Mitglied im International Committee on the Rights of Sex Workers in Europe (ICRSE), einem europäischen Netzwerk, das sich zum Schutz der Bürger*innen- und Menschenrechte von Sexarbeiter*innen und zur Stärkung der Akzeptanz und des Respekts gegenüber Personen, die in der Sexarbeit tätig sind, bekennt.
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Mitglied im Forscher*innen-Netzwerk European Cooperation in Science and Technology (COST). COST ist ein europaweites Forschungsnetzwerk, welches unter anderem auch Forschungsarbeiten zum Thema Sexarbeit durchführt.
maiz Sex & Work wird gefördert durch das Bundeskanzleramt (BKA Frauen), das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, die Integrationsstelle Land Oberösterreich und das Frauenbüro Linz.